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Jaromir Konecny war kein Social Beat “Aktivist”, was er darüber sagt ist aber interessant:
Interviewauszug aus Wandler, Zeitschrift für Literatur, Nr.19: (Siehe www.literaturwelt.de)
Oliver Gassner: Im Ariel-Verlag erscheinen vor allem Autoren, die sich dem "Social Beat" zurechnen. Bei Deinen Texten hatte ich allerdings nicht unbedingt den Eindruck, daß sie "typische" SB-Texte sind. Könnstest Du Dein Verhältnis zum SB beschreiben?
Jaromir Konecny: Ja, was ist Social Beat? Ursprünglich als eine rein literarische Bewegung gedacht, zählt sich jetzt fast jeder dazu. Ich persönlich finde das gar nicht schlecht. Den Begriff "Social Beat" haben sich Jörg André Dahlmayer und Thomas Nöske ausgedacht: "Beat" sollte das Pochen, das Wilde ausdrücken. "Social" interpretiert jeder, wie es ihm gefällt. Manch einer sogar als Sozialismus, womit zum Beispiel ich sicher nichts am Hut habe. Ich verstehe unter "Social": Themen aufgreifen, die möglichst viele Menschen berühren. Ich soll also dem Leser nicht mein eigenes Ego vor die Augen kotzen. Die Lebensnähe sollte wieder groß geschrieben werden, du solltest mit einfachen Worten große Sachen sagen (das ist auch nicht von mir, sondern von Schopenhauer) - jeder muß dich verstehen! In meinen Geschichten müssen lebendige Menschen vorkommen, je mehr, umso besser. (Wenn du das so siehst, war Jane Austen die erste Social-Beat-Autorin - in ihren Romanen wimmelt es nur von Menschen, die miteinander intensiv verkehren.) Und diese Menschen haben so zu reden, wie sie es auch im Leben tun. Und viel lachen, und viel weinen, die Leser genauso. Ich will keine Beliebigkeit, ich will meine verdammte Meinung haben, auch als Autor, und sie mir aus der Lunge schreien, wenn ich's für notwendig erachte. Ich muß ehrlich sein, und damit meine ich nicht, daß ich die Geschichten so schreibe, wie sie tatsächlich passiert sind: Ich darf nichts verstecken, nichts ungesagt lassen, was mir wichtig ist, nur weil man so was nicht sagt. Robsie Richter hat es in einem seiner Gedichte auf den Punkt gebracht: "...und so viel ist sicher, ein morgendlicher Bierschiß ist kein Klischee, sondern tägliche Realität und ebenso wichtig wie die Luft, die wir alle brauchen, um zu überleben. Und wenn mir jemand sagt, das sei kein bedeutendes Thema, dann soll er sich sein Arschloch zunähen und abwarten, was passieren wird." Da ist es! Je mehr die literarischen Großkotzer in Deutschland ihre Sätze mit vorgetäuschter Bedeutung schwängern werden, um so mehr werde ich klare Sätze zu schreiben versuchen. Sätze so klar wie ihre Tränen, die sie vor Neid vergießen, wenn sie meine Sätze lesen. Ob ich selber ein Social-Beat-Autor bin? Keine Ahnung! Eher nicht. Ich persönlich mag diese Schubladen nicht und bin gegen jedwede Ghettoisierung. Viele meiner Texte haben auch nichts mit Social Beat zu tun. Andererseits hast du am Anfang des Interviews gesagt, "Die erste Liebe" erinnere Dich an autobiographische Texte von Bukowski. Diesen Vorwurf macht man ziemlich vielen Social-Beat-Autoren. In diesem Sinn... Na, ja, es ist eigentlich kein Vorwurf, es ist ein Vergleich, der mich freut. Beleidigt wäre ich, wenn du mich mit Thomas Mann vergleichen würdest. Und wo ich mich sehe? Zuerst vielleicht in der Münchner Poetry-Slam-Szene - dort habe ich auch die meisten Freunde. Und wenn ich ein Social-Beat-Autor sein soll, dann möchte ich mich zu OBF zählen - Olli-Bopp-Fraktion -, wie Roland "Rodney" Adelmann sagt. Und aus der Szene liebe ich Autoren wie: Kersten Flenter, Tuberkel Knuppertz, Roland Adelmann, Olli Bopp, Michaela Seul, Dagi Bernhard, Hartmuth Malorny, Robsie Richter, Jan Off, Bettina Sternberg, Rayl Patzak, Rudolf Proske, Hardy Krüger, und viele andere, die ich jetzt vergessen habe. Wenn wir schon über Social Beat sprechen, sollten wir die Poetry Slams nicht vergessen. In München haben zum Beispiel Rayl Patzak, Ko Bylanzky und Lisa Cameron eine phantastische Veranstaltung auf die Beine gestellt. Im Schnitt besuchen den Slam 200 literarisch begeisterte Zuhörer. Das muß uns noch die etablierte Literatur vorführen, daß sie in einem solchen Maß Leute begeistern kann. Die "großen" Literaten suchen in ihren Hirnen weiter nach Tiefsinn, während wir schon sagen: "Scheiß drauf", und die Leute mit unseren Geschichten und Gedichten unterhalten. Sollen doch die Literaturschwergewichtler ruhig weiter ueber den Tod der Literatur grübeln und schwafeln, was das Zeug hält. Aber ohne uns!
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